Eine erwachsene Person, die ihre eigenen Angelegenheiten wegen einer Krankheit nicht mehr selbst regeln kann, benötigt jemanden, der das für sie übernimmt.
Dies kann im Rahmen einer Vorsorgevollmacht oder einer notariellen Generalvollmacht passieren. Gibt es keine Vollmacht, wird vom Gericht eine Betreuung angeordnet.
Vollmachten sind private Verfügungen und werden nicht kontrolliert. Die gesetzliche Betreuung ist gerichtlich angeordnet und wird vom Gericht überwacht.
Eine Betreuung muss vom Betroffenen selbst oder einer anderen Person angeregt werden.
Die gesetzliche Betreuung verbinden viele Menschen damit, dass ihnen eine fremde Person „vorgesetzt“ wird.
Im Gesetz ist geregelt, dass Angehörige, bei einer gesetzlichen Betreuung vorrangig zu berücksichtigen sind.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dies am 31.03.2021 nochmals bestärkt.
Eine Mutter klagte vor dem BVerfG gegen die Bestellung einer Berufsbetreuerin für ihre Tochter. Die Tochter wünschte ausdrücklich, dass ihre Mutter die Betreuung für sie weiterführte.
Auch bei der Betreuerbestellung gilt der Schutz der Familie
Das Betreuungsgericht bestellte trotzdem eine Berufsbetreuerin. Das Landgericht bestätigte im Beschwerdeverfahren die Bestellung der Berufsbetreuerin. Die Mutter würde als Betreuerin nicht dem Wohl der Betroffenen dienen.
Das BVerfG entschied daraufhin, dass die Mutter durch den Einsatz einer Berufsbetreuerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes (besonderer Schutz der Ehe und Familie) verletzt werde.
Die Richter*innen des BVerfG betrachten das Grundrecht auf Schutz der Familie als einen generellen Schutz familiärer Bindungen. Dieser Schutz umfasse auch das Verhältnis zwischen den Eltern und ihren volljährigen Kindern.
Selbst wenn keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht, seien familiäre Bindungen von besonderer Bedeutung. Sie hätten im Alltag eine besondere Wichtigkeit. In den meisten Fällen wären familiäre Beziehungen von Nähe, Zuneigung, Verantwortungsbewusstsein und Beistandsbereitschaft geprägt.
Dem Schutz der Familie müsse deshalb bei der Bestellung einer gesetzlichen Betreuer*in Rechnung getragen werden.
Eine enge Bindung dient dem Wohl der betreuten Person
Wenn eine familiäre Verbundenheit und enge Bindung besteht, müssen bei der Betreuerbestellung Familienangehörige bevorzugt berücksichtigt werden.
Zudem muss im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts dem Willen der betreuten Person gefolgt werden.
Nur wenn die Wunschbetreuer*in im Sinne von § 1897 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ungeeignet ist, kommt eine Ablehnung in Betracht.
Bestehen Zweifel an der Geeignetheit der Wunschbetreuer*in, muss das Gericht zunächst prüfen, ob ergänzende Hilfsangebote die Umsetzung des Willens der betreuten Person ermöglichen könnten.
Mit dem Urteil hat das BVerfG den Schutz der Familie und das Selbstbestimmungsrecht der Betreuten gestärkt.
Das heißt, auch in Fällen, in denen eine Berufsbetreuung sinnvoll wäre, muss das Gericht prüfen, ob die Möglichkeit besteht, dem Wunsch der betreuten Person nachzukommen oder ihm zumindest nahezukommen.
Hinweis: Das Urteil können Sie unter dem nachfolgenden Aktenzeichen 1 BvR 413/20 herunterladen.