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Urteil: verlorengegangene Zahnprothese im Krankenhaus

Zumeist gibt es dann Uneinigkeit darüber, wenn das Krankenhaus bzw. dessen Haftpflichtversicherung für den Schaden aufkommen soll. Denn es stellt sich die Frage, wer hätte aufpassen müssen? Lag die Aufbewahrungspflicht bei der Patient:in oder der Mitarbeiter:in des Krankenhauses?

Das Amtsgericht Nürnberg hat am 23.06.2021 hierzu ein Orientierung gebendes Urteil gefällt.
Bei dem verhandelten Fall wurde ein Patient bei der Vorbereitung auf eine Operation von einer Mitarbeiterin aufgefordert, seine Zahnprothese auszuziehen und diese in eine dafür bereitgestellte Schale zu legen.
Der Kläger war vorher nicht darauf hingewiesen worden, dass er seine Prothese ausziehen müsse. Er wusste auch nicht, dass er im Anschluss an seine Operation die Station wechseln würde.
Nachdem er auf die andere Station verlegt worden war, konnte seine Zahnprothese nicht mehr gefunden werden.
Der Kläger ließ sich daher eine neue Prothese anfertigen, für die er 1.393,250 € bezahlte. Die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses lehnte die Übernahme dieser Kosten ab. Ebenso lehnte sie das geforderte Schmerzensgeld – der Kläger hatte acht Wochen keine Prothese und Schmerzen beim Essen – von 706 € zzgl. einer Unkostenpauschale von 25 € ab.

Pflichtverletzung der Mitarbeiterin muss Krankenhaus vertreten

Das Amtsgericht Nürnberg verurteilte das Krankenhaus jedoch zu Schadensersatz. Der Patient hatte der Pflegekraft die Zahnprothese zur Aufbewahrung übergeben. Der Verlust der Prothese war daher eine Pflichtverletzung der Mitarbeiterin. Denn die Aufbewahrung der Zahnprothese war aus Sicht des Gerichts eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag. Diese Nebenpflicht ergibt sich aus einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang zwischen der Herausnahme der Zahnprothese und der Operation. Die ordnungsgemäße Aufbewahrung der Prothese stellte in diesem Fall eine Schutzpflicht des Krankenhauses dar.
Der Kläger war zum Zeitpunkt der Herausnahme der Zahnprothese erkennbar in der Obhut der Mitarbeiterin und von ihr abhängig. Zudem hatte er keine andere, sichere Aufbewahrungsmöglichkeit. Der Kläger vertraute auf die Aufbewahrungszusage der Mitarbeiterin des Krankenhauses.
Das Krankenhaus muss für die Pflichtverletzung der Mitarbeiterin einstehen, da die Pflegekraft eine Erfüllungsgehilfin ist.
Da der Kläger eine Operation hatte, war es ihm nicht möglich, selbst die ordnungsgemäße Aufbewahrung der Zahnprothese sicherzustellen.

Kläger erhält Schadensersatz und Schmerzensgeld

Das Gericht verurteilte das Krankenhaus deshalb zur Übernahme der Kosten der neuen Prothese in Höhe von 1.393,50 €, da diese notwendig und angemessen waren. Zudem wurde dem Kläger ein Schmerzensgeld von 500 € zugesprochen, da er insgesamt drei Monate ohne Zahnprothese war.
Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten mussten ebenso vom Krankenhaus übernommen werden. Und für die beiden notwendigen Zahnarztbesuche wurde ausnahmsweise eine Aufwandspauschale von 25 € zugebilligt.

Fazit: Dieses Urteil bringt etwas Klarheit in die Pflichten, die eine Mitarbeiter:in eines Krankenhauses treffen, wenn eine Patient:in nicht in der Lage ist, sich selbst angemessen um ihre Wertsachen zu kümmern.
Wenn die Patient:in erkennbar von den Mitarbeiter:innen abhängig ist, hat das Krankenhaus ihr gegenüber eine Schutzpflicht. Die Mitarbeiter:innen müssen dann bei Bedarf sichergestellte Wertgegenstände so aufbewahren, dass sie sie auch wieder zurückgeben können.

Das Urteil wurde vom Amtsgericht Nürnberg am 23.06.2021 beschlossen und hat das AZ: 19 C 867/21. Unter dem folgenden Link können Sie das Urteil herunterladen: IWW Institut

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