Eigentlich sollte jede erwachsene Person sich schon einmal Gedanken darüber gemacht haben, wer sie vertreten soll, wenn sie bspw. wegen einer Erkrankung nicht mehr selbst für sich handeln kann. Im besten Falle haben Sie für diese Situation eine Vorsorgevollmacht erstellt. Denn wenn Sie keinen Bevollmächtigten benannt haben, muss für Sie unter bestimmten Voraussetzungen ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden. Dieses Vorgehen ist in § 1896 BGB. Dort ist festgelegt, dass im Falle, dass ein Volljähriger wegen Krankheit oder Behinderung nicht selbst handeln kann, eine gesetzliche Betreuung eingerichtet werden muss. Allerdings wird dieses „muss“ eingeschränkt. Denn wenn die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, genauso gut wie durch einen Betreuer erledigt werden können, muss kein Betreuer bestellt werden.
Obwohl man mit einer Vorsorgevollmacht also eine gesetzliche Betreuung verhindern kann, haben viele keine solche Vollmacht erstellt. Die meisten denken, dass noch genug Zeit ist, bis so ein Dokuzment benötigt wird. Was sie nicht bedenken ist, dass gerade Unfälle oder Krankheiten nicht planbar sind und sehr überraschend kommen. Wenn man dann so schwer erkrankt ist, dass man nicht bei Bewusstsein ist oder vorübergehend verwirrt, kann man keine Vollmacht mehr erteilen.
Das Notvertretungsrecht gilt für sechs Monate
Kommt es zu so einer Situation, geht es zumeist darum, dass vor allem Entscheidungen im Hinblick auf die Behandlung getroffen werden. Das heißt, wird dann ein gesetzlicher Betreuer bestellt, ist dies oftmals nur für einen überschaubaren Zeitraum erforderlich.
Der Gesetzgeber hat nun mit der Einführung des neuen § 1358 BGB auf diese Situation reagiert. Das Gesetz wird am 01.01.2023 in Kraft treten und hat zum Inhalt, dass Ehegatten sich im Krankheitsfall für sechs Monate gegenseitig im Bereich der Gesundheitssorge vertreten können.
Das heißt, wenn eine verheiratete Person wegen Bewusstlosigkeit oder Krankheit vorübergehend nicht in der Lage ist, Entscheidungen im Bereich der eigenen medizinischen Behandlung und Versorgung zu treffen, erhält der Ehepartner automatisch ein gesetzliches Vertretungsrecht.
Diese gesetzliche Vertretung ist grundsätzlich auf sechs Monate beschränkt. Die Sechsmonatsfrist beginnt mit der ersten Handlung des Ehepartners als Vertreter. Der (gesunde) Ehepartner ist verpflichtet die stellvertretenden Entscheidungen an dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen seines erkrankten Ehepartners auszurichten.
Diese Entscheidungen beinhaltet die Ehepartnervertretung
Im Gesetz ist abschließend geregelt, welche Handlungen vom neuen Notvertretungsrecht umfasst sind:
- Die Einwilligung oder Untersagung von Untersuchungen, Heilbehandlungen und Eingriffen, wie Operationen.
- Die Entgegennahme von ärztlichen Auskünften und Aufklärungen. Die ärztliche Schweigepflicht ist in dieser Zeit gegenüber dem Ehepartner aufgehoben.
- Der Abschluss von Behandlungs- und Krankenhausverträgen, sowie Verträgen bezüglich eiliger Rehabilitations- und Pflegemaßnahmen.
- Die Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen für die Dauer von maximal sechs Wochen. – Wichtig: Freiheitseinschränkende Maßnahmen müssen unabhängig von einer Vollmacht oder gesetzlichen Betreuung immer zusätzlich vom Betreuungsgericht genehmigt werden.
- Die Geltendmachung und Abtretung von Leistungsansprüchen, die dem erkrankten Ehepartner gegenüber Dritten, wie etwa Pflegekasse, Krankenkasse oder Sozialamt, zustehen.
Das bedeutet das Vertretungsrecht für Sie in der Praxis
Tritt der § 1358 BGB aufgrund einer plötzlichen Erkrankung Ihres Ehepartners in Kraft, können Sie nicht nur die direkt gesundheitsbezogenen Entscheidungen, wie etwa Operation ja oder nein, treffen. Auch zusammenhängende Handlungen können von Ihnen als StellvertreterIn erledigt werden. Das heißt, Sie können
- bei der Pflegekasse einen Ein- oder Höherstufungsantrag oder einen Antrag auf andere Leistungen, wie etwa Kurzzeitpflege, stellen.
- Leistungen bei der Krankenkasse beantragen, wie etwa häusliche Krankenpflege oder die Übernahme von Fahrtkosten.
- Leistungen an Pflege- und Entlastungsdienste abtreten, bspw. den Entlastungsbetrag.
- einen Heim- oder Pflegevertrag wirksam abschließen.
- bei der Beihilfe und auch beim Sozialamt Anträge stellen.
Während der sechs Monate sind Sie also in der Lage, alle Maßnahmen, die rund um die Gesundheit und Pflege Ihres Ehepartners erforderlich sind, rechtswirksam zu regeln.
Wie kommt es zur Notvertretung?
Um das Notvertretungsrecht auszuüben, benötigen Sie einen Nachweis, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Diesen Nachweis erhalten Sie vom behandelnden Arzt. Allerdings muss der Arzt zuvor vergewissern, dass Ihrer Vertretung keine Ausschlussgründe entgegenstehen. Ausschlussgründe bestehen, wenn
- die Ehegatten getrennt leben,
- bekannt ist, dass der erkrankte Ehepartner die Vertretung ablehnt,
- der erkrankte Ehegatte jemand anderen wirksam mit der Vertretung im Bereich der Gesundheitssorge bevollmächtigt hat,
- bereits eine gesetzliche BetreuerIn mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge bestellt ist,
- mehr als sechs Monate vergangen sind, nachdem der Arzt festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für das Notvertretungsrecht erfüllt sind.
Das Ehegattenvertretungsrecht ist sicher eine gute Hilfe im Notfall. Aber es ist besser, wenn Sie sich mit der Situation auseinandersetzen, wer für Sie im Fall, dass Sie selbst nicht handeln können, Entscheidungen für Sie treffen soll.
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